Putins Gesetz

„Fatales Signal“ und „Willkürjustiz“: Nach dem neuen Schuldspruch gegen den Kremlkritiker Michail Chodorkowski stehen die russische Justiz und Russlands Premier Vladimir Putin einmal mehr im Kreuzfeuer der Kritik. Die Macht steht über dem Recht“, verurteilte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die russische Gerichtsbarkeit. Offenbar ungerührt nahm Chodorkowski am Montag den Spruch von Richter Viktor Danilkin auf. Wie immer saß der frühere Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos in einem Glaskäfig ohne direkten Kontakt zu Anwälten oder Angehörigen. Vor dem Gerichtsgebäude in Moskau demonstrierten Hunderte Menschen vergeblich für einen Freispruch. „Jeder von uns kann zu einem Chodorkowski werden“, stand auf Plakaten. Die Polizei nahm mehrere Demonstranten fest. Politische Prozesse und Urteile sind nach Einschätzung von Beobachtern in Russland an der Tagesordnung – auch der Prozess gegen Chodorkowski und dessen Ex-Geschäftspartner Platon Lebedew gehöre dazu. Die Anklage, die Manager hätten 218 Millionen Tonnen Öl unterschlagen und Geld gewaschen, haben internationale Rechtsexperten als hanebüchenen Unsinn abgetan.

Vor allem Regierungschef Wladimir Putin sieht sich oft dem Vorwurf ausgesetzt, er nutze Richter und Staatsanwälte als Instrumente. „Putin ist ein autoritärer Machthaber“, sagte Andreas Schockenhoff, der Russland-Beauftragte der deutschen Bundesregierung, dem Südwestrundfunk. Erst vor kurzem hatte Putin live im Fernsehen eine neue Verurteilung seines Erzfeinds gefordert: „Der Dieb muss im Gefängnis sitzen.“

Beobachter sind sicher, dass der damalige Präsident die Verhaftung Chodorkowskis 2003 als Signal an die Oligarchen inszeniert hatte, sich nicht in die Politik einzumischen. Denn der Öl-Tycoon hatte sich trotz Warnungen der Machtelite für die Opposition engagiert. Nun fürchten die Anhänger Chodorkowskis, Putin wolle seinen Erzfeind, der derzeit eine achtjährige Haftstrafe wegen Geldwäsche absitzt, über die Präsidentenwahl 2012 hinaus politisch kaltstellen. Er werde im Gefängnis sitzen, solange Putin an der Macht sei, wiederholt auch Chodorkowski regelmäßig. Die Staatsanwaltschaft will Chodorkowski bis 2017 im Gefängnis sehen.