Empfehlungen zum besseren Anlegerschutz

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise und der damit im Zusammenhang stehenden
deutlich gewordenen Defizite im Anlegerschutz hat sich die Verbraucherkommission intensiv mit Fragen des Anlegerschutzes auseinandergesetzt.

Die Diskussionen wurden vor dem Hintergrund der erkennbar gewordenen systemischen Risiken der Finanzmarktarchitektur und des neuen Regelungsrahmen in der Europäischen Union geführt. Die in diesem Zusammenhang angesprochenen Themen umfassen ein weites Spektrum von Fragen zur Finanzmarktaufsicht, einer Verbesserung der Informationspflicht der Anbieter einerseits und Maßnahmen zur Verbraucherbildung andererseits, einer Verbesserung der Regelungen und Strukturen inder Anlageberatung und Verbesserungen zu einer effektiveren Rechtsanwendung und –durchsetzung.
Während die Grenzen der derzeitigen Finanzmarktaufsichtskompetenz zur Sicherstellung
der Funktionsweise der Märkte vor den entstandenen systemischen Risiken in den Diskussionen deutlich geworden sind, blieben zwei Fragen offen. Erstens in wie weit und in welcher Form der Verbraucherschutz neben der Aufsichtpflicht zum Schutz der Marktfunktion institutionalisiert werden soll. Zweitens in wie weit auch anbieterinterne Zuwendungen beim Vertrieb von Finanzprodukten offen gelegt werden sollen.1

Finanzmarktaufsicht
I. Stärkere Kontrolle des Grauen Kapitalmarktes
Die Verbraucherkommission spricht sich dafür aus, dass auch der Graue Kapitalmarkt2 einer lückenlosen Aufsicht unterliegen muss. Es darf keine Lücken in der Finanzmarkt-aufsicht geben. Im Interesse der Verbraucher ist es deshalb, eine Beaufsichtigung aller Finanzmarktprodukte und aller Finanzmarktteilnehmer. Auf nationaler Ebene sollten hierzu die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Grauen Kapitalmarkt an den Vertrieb von im KWG und im WpHG 1Die Verbraucherkommission Bayern hat die Empfehlungen einstimmig beschlossen, soweit dies nicht anderweitig gekennzeichnet ist.

2 Als Grauer Kapitalmarkt wird der Teil des Finanzmarktes bezeichnet, der weder der Finanzaufsicht unterliegt noch anderweitig reguliert ist. Dieser Berech soll den regulierten Finanzprodukten angeglichen werden, um ein „ganzheitliches Kapitalanlagerecht“ zu schaffen.
II. Finanzmarktaufsicht (mehrheitlich beschlossen)
Die Verbraucherkommission empfiehlt, den Verbraucherschutz als eigenes gleichberechtigtes Aufsichtsziel in den bestehenden bank- und kapitalmarktrechtlichen Regelungsrahmen, insbesondere in die Vorschriften des Kreditwesengesetzes und des Wertpapierhandelsgesetzes aufzunehmen.
Finanzprodukte
III. Strukturierte Finanzprodukte
Strukturierte Finanzinstrumente dürfen an Privatkunden nur noch mit einem gesonderten
Warnhinweis veräußert werden, der jedem Anleger vor Abschluss eines Geschäftes mit solchen Finanzinstrumenten auszuhändigen ist. Ein solcher Warnhinweis könnte etwa lauten:
Der Bundesminister der Finanzen warnt: Dies ist ein komplexes Anlageprodukt, das nur für
erfahrene Anleger geeignet ist, die bereit und in der Lage sind, Verluste des eingesetzten
Kapitals bis hin zum Totalverlust hinzunehmen.
Anlegerinformationen
IV. Transparente Verbraucherinformationen bei Anlageprodukten
Die Verbraucherkommission spricht sich dafür aus, dass bei jeder Veräußerung eines Anlageprodukts dem Anleger im Vorfeld eine kurze und übersichtliche Standardinformation ausgehändigt werden muss. Unter Berücksichtigung der europäischen Entwicklungen sollen Produktinformationsblätter
entwickelt werden, in der der Anleger die für die Kapitalanlage entscheidenden Informationen zur jeweiligen Produktkategorie – z.B. erwartete durchschnittliche jährliche Rendite; Marktund Emittentenrisiken, jederzeitige Veräußerbarkeit an einem liquiden Markt – erhält.
V. Mehr finanzielle Verbraucherbildung an Schulen durch fächerübergreifende Einführung
von Lehrinhalten zum Thema Geldanlage und Kredit
Die Verbraucherkommission spricht sich dafür aus, dass bereits in allen allgemein bildenden Schulen Finanzkompetenz vermittelt wird. Voraussetzung für ein nachhaltiges Bildungskonzept ist die Qualifizierung der Lehrkräfte, was ggf. die Ergänzung des Lehramtsstudiums erforderlich macht. Darüber hinaus hält die Verbraucherkommission eine fortlaufende Qualifizierungsmaßnahme für Lehrkräfte zu diesen Themen für unerlässlich.
Anlageberatung
VI. Förderung der anbieterunabhängigen Beratung
Die Verbraucherkommission empfiehlt, die Entwicklung anbieterunabhängiger Finanzberatung zu fördern, damit mehr Ratsuchende verbraucherbildend und unabhängig von Vertriebsinteressen zum Thema Geldanlage beraten werden können.
VII. Offenlegung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Finanzprodukten
erzielten Zuwendungen (z.B. Provisionen, Bestandsvergütungen) gegenüber
dem Kunden (mehrheitlich beschlossen) Die Verbraucherkommission spricht sich dafür aus, dass dem Kunden alle Zuwendungen, die ein Anlageberater, Anlagevermittler, Versicherungsvermittler oder sonstiger Marktteilnehmer im Zusammenhang mit dem Vertrieb eines Anlageprodukts (insbesondere Wertpapiere,
geschlossene Fonds) erhält, vollständig, also dem Inhalt und der Höhe nach, mitgeteilt
werden müssen. Die Offenlegung der Zuwendungen könnte z.B. in einem Produkt-informationsblatt erfolgen.
VIII. Bessere Qualifizierung und Überwachung von Finanzvermittlern/ Handelsvertretern
Die Verbraucherkommission empfiehlt, dass jede Person, die im Vertrieb von Anlageprodukten tätig ist, über eine entsprechend qualifizierte Ausbildung verfügen muss.
Für die berufliche Qualifikation von Anlageberatern und –vermittlern, die aufgrund des Gewerberechts (§ 34c GewO) Finanzanlagen des sog. Grauen Kapitalmarktes vermitteln, bestehen im Gegensatz zu Versicherungsvermittlern (§ 34 d GewO) keine besonderen gesetzlichen Anforderungen. Für diesen Personenkreis sollten deshalb entsprechend den Zulassungsvoraussetzungen für Versicherungsvermittler auch ein Sachkundenachweis und der Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung vorgeschrieben werden.
IX. Pflicht zum Abschluss einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für
Vermittler von Kapitalanlagen
Die Verbraucherkommission empfiehlt, dass für Anlageberater und -vermittler, die nicht Angestellte eines beaufsichtigten Finanzdienstleistungsinstituts sind, eine gesetzliche Haftpflichtversicherung vorgeschrieben wird, die im Falle schuldhafter Fehlberatung für die Schäden der Kunden eintritt.
X. Aufhebung des Provisionsweitergabeverbot gem. § 81 Absatz 2 Satz 4 VAG iVm.
einer Anordnung des Reichsaufsichtsamtes vom 8.3.1934
Die Verbraucherkommission empfiehlt, zu überprüfen, ob das Provisionsweitergabeverbot
gemäß § 81 Abs. 2 Satz 4 VAG iVm. einer Anordnung des Reichsaufsichtsamtes vom
8.3.1934 aufgehoben werden soll.
Rechtsanwendung und -durchsetzung
XI. Aufarbeitung und Ahndung der Ursachen und der Verantwortlichen von Finanzmarktkrisen
Die Verbraucherkommission empfiehlt, ohne Ansehen der Personen die Ursachen von Finanzmarktkrisen lückenlos aufzuklären und die Verantwortlichen zivil-, aufsichtsrechtlich und strafrechtlich lückenlos zur Rechenschaft zu ziehen.
XII. Bessere Qualifizierung und Ausstattung der Justiz zur Stärkung des Anlegerschutzes
Die Verbraucherkommission empfiehlt durch entsprechende Schulungsmaßnahmen bei allen Mitarbeitern der Justiz, vor allem bei Richtern und Staatsanwälten, dafür zu sorgen, dass diese auf gleicher Augenhöhe spezialisierten Anwälten, Großkanzleien und Rechtsabteilungen von Kreditinstituten gegenübertreten können. Die Verbraucherkommission empfiehlt weiterhin, die Einrichtungen der Justiz personell und sachlich so auszustatten, dass auch komplexe Anlegerfälle auf der Basis des geltenden Rechts behandelt werden können.
XIII. Effektivere Bekämpfung von Anlagebetrugsmodellen am Grauen Kapitalmarkt
Die Verbraucherkommission empfiehlt, Anlagebetrugsfälle durch rasches und entschiedenes Vorgehen konsequent zu bekämpfen.
XIV. Schaffung einer gerichtlichen Sonderzuständigkeit für bank- und kapitalmarktrechtliche Fälle
Die Verbraucherkommission spricht sich dafür aus, dass bei allen Land- und Oberlandesgerichten Spezialkammern bzw. Spezialsenate für Kapitalanlagegeschäfte gebildet werden.
XV. Transparenz bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen
Die Verbraucherkommission empfiehlt, auf die effektive Umsetzung der wissenschaftlichen
Selbstkontrolle zu achten. So sollen Forschungsergebnisse lege artis erarbeitet, Resultate dokumentiert und alle Ergebnisse durch Veröffentlichung der kritischen Diskussion überantwortet werden. Die finanzielle Unterstützung durch Dritte soll im Rahmen der Veröffentlichung offen gelegt werden. Darüber hinaus sollen die Herausgeber wissenschaftlicher Veröffentlichungen auf eine strenge Trennung zwischen wissenschaftlichen Facharbeiten und Diskussionsbeiträgen/Meinungen achten.
XVI. Unparteilichkeit der Justiz
Die Verbraucherkommission empfiehlt, bei Nebentätigkeitsgenehmigungen von Richtern und Staatsanwälten auf eine umfassende und eingehende Prüfung der Versagungsgründe zu achten. Nebentätigkeiten sind zu versagen, wenn die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unparteilichkeit oder der Befangenheit besteht. In diesem Zusammenhang ist besonderes Augenmerk auf eine mögliche Beeinflussung durch den Auftraggeber, Veranstalter oder Kooperationspartner zu legen. Auch der Ort, an dem die Nebentätigkeit ausgeübt bzw. durchgeführt wird, sollte berücksichtigt werden.
Die Verbraucherkommission empfiehlt, nichtgenehmigungspflichtige Tätigkeiten von Richtern und Staatsanwälten regelmäßig zu prüfen und gegebenenfalls in diesem Rahmen Tätigkeiten zu versagen, bei denen eine Beeinflussung der Unparteilichkeit oder der Unbefangenheit zu befürchten ist.